Selbstliebe – Sich selber lieben und annehmen

Was ist Selbstliebe oder besser Selbstmitgefühl, Selbstannahme, Selbstfreundschaft und Selbstfürsorge?

Selbstliebe ist – zusammen mit Selbstbewusstsein, dem Bewusst sein über mich als empfindender, fühlender, denkender Mensch – der fundamentalste Bestandteil unseres Selbstwertgefühls. Doch was genau verstehen wir unter Selbstliebe? Dies ist wichtig zu klären, denn nicht wenige Menschen verwechseln Selbstliebe mit Selbstverliebtheit, Egozentrik, Egoismus, Gottlosigkeit, Ich-Sucht oder Selbstsucht.

In Öl auf Leinwand gemaltes Herz als Symbol für Selbstliebe und Mitgefühl

Selbstliebe und Selbstmitgefühl – Mich selber freundschaftlich annehmen, wie ich gerade bin

Selbstliebe ist…

In allererster Linie: Ein dynamischer, sich ständig in Bewegung und Entwicklung befindlicher Prozess des schrittweise sich selbst Erkennens, Annehmens und Akzeptierens, gerade auch mit seinen ungeliebten Seiten und Handicaps! Und dies in möglichst wacher wie urteilsfreier Freundlichkeit und mitfühlender Selbstfürsorge, auch wenn es manchmal schwer fällt. Selbstliebe ist also nie ein fertiger Idealzustand, sondern immer „practice and work in process“!

  • …eine stetige Annäherung an „So wie ich bin, mit meinen Ecken, Kanten und Verletzungen, bin ich im Großen und Ganzen ok.“ Wer das von sich sagen kann, ist auf gutem Wege zu innerem Frieden und Gelassenheit. Was nicht ausschließt, dass ich mir hier und da Veränderungen für die Zukunft vorstellen könnte!
  • …Selbstakzeptanz / Selbstannahme / Selbstachtung und damit realitätsbezogene Wertschätzung meiner Selbst als Basis meines Menschseins: Ich bin liebenswert und bejahe mich!

    „Selbstliebe“ meint Selbstmitgefühl, Selbstannahme, Selbstakzeptanz, Selbstfürsorge: Mir ein guter Freund sein!

  • …Selbstfürsorge: Auf sich selbst achten und die eigenen Bedürfnisse, Werte und Grenzen erkennen und respektieren!
  • …Selbstmitgefühl: Eine mütterliche, wohlwollende, gütige, fürsorgliche, bergende, haltende, schützende und mitfühlende Haltung mir selbst gegenüber einnehmen.
  • …Selbstfreundschaft: Mit sich selbst Freundschaft und Frieden schließen und sich weigern, sich selbst als Feind gegenüberzustehen = Den Kampf gegen sich selbst aufgeben und erstmal akzeptieren, was ist!
  • …Gesunder, zur Selbstreflexion fähiger, mitfühlender, achtsamer und demütiger „Egoismus“.
  • …Meinen empfindenden Körper als den Träger meines Geistes auf natürliche Art und Weise pflegen und gesund erhalten → Stichwort achtsame Ernährung und Körperpflege, ausreichend Licht, Luft und Bewegung für natürliche Kraft und Flexibilität sowie Schulung der sensorischen Empfindungsfähigkeit, z.B. durch Tanzen, Jonglieren, Klettern, Kampfsport, Feldenkrais, Alexander-Technik, Hatha-Yoga oder Tai Chi Chuan usw.
  • Vertraue keiner Stimme in Deinem Geist, die unfreundlich mit Dir spricht, nörgelt, Dich kritisiert oder abwertet!

    …Meinen fühlenden und denkenden Geist „in die Hand“ zu nehmen und ihn in einer achtsamen, neugierigen, freundlichen, wertungsfreien wie beharrlichen Art und Weise auf einen förderlichen Weg zu führen → Stichwort Kultivierung von erkennender Achtsamkeit und Mitgefühl, Schulung des „freundschaftlichen inneren Beobachters“ als Gegenpol zum „inneren Kritiker / Zensor / Verurteiler / Abwerter“, z.B. durch psychologische Begleitung in Kombination mit Achtsamkeitstraining / Achsamkeitsmeditation, Kontemplation usw. Meditation als Geistesschulung, Beziehungen als Übungsfeld, der „Alltag als Übung“!

Wertschätze und akzeptiere Dich selbst in einer Art und Weise, wie Du von anderen Menschen wertgeschätzt und angenommen werden möchtest!

Selbstliebe ist weder…

die Unterschätzung, „Kleinmachung“ oder Abwertung von mir noch die Überschätzung oder Überhöhung meines Selbst, z.B. in Form perfektionistischer Pflichterfüllung, zerfließendem Selbstmitleid, abgekapselter Selbstbezogenheit, Selbstsucht / Ich-Sucht, hochmütiger Selbstgefälligkeit, Selbstverliebtheit, „Social-Media-Schaut-alle-her-Selbstbespiegelung“, Egozentrik und Narzissmus. Echte Selbstliebe unterstützt auch nicht das dauerhafte Ausblenden meiner ungeliebten Seiten und die Fixierung auf tolle oder unrealistische Aspekte von mir → Dies alles sind eher Symptome einer verwirrten, unterdrückten oder verletzten Selbstakzeptanz, auch narzisstische Wunde genannt!

Selbstliebe ist also nicht…

  • Ich, ich, ich… bin der Mittelpunkt der Welt… ist keine echte Selbstliebe!

    …Wichtigtuerei, Überheblichkeit, Arroganz, Größenwahn, Eitelkeit, Geltungssucht, Kritiksucht und Rechthaberei

  • …Ausschließlich sich um sich selbst drehen, auf den eigenen Vorteil zu achten und die Belange anderer Wesen sowie die Beziehung zu ihnen außen vor zu lassen
  • …Das Fehlen von Wärme, Herzlichkeit und verbindendem Mitgefühl für andere Wesen oder das Abwerten, Missachten und Verletzen der Bedürfnisse anderer
  • …Nur für andere und deren Bedürfnisse oder Forderungen da sein und meine eigenen Bedürfnisse und Werte dabei vergessen, verdrängen, missachten. Also meine körperlichen wie psychischen Kräfte ausbeuten und mehr von mir geben als ich eigentlich geben kann, ohne körperlich und/oder psychisch krank zu werden
    Stichwörter bzw. Diagnosebegriffe für diesen unförderlichen Prozess könnten beispielsweise „vegetative Dystonie“, „Helfersyndrom / Selbstaufopferung“, „Depression / depressive Erschöpfung“, „stressbedingte Ermüdung“, „Erschöpfungssyndrom“ oder „Burnout“ usw. heißen!
  • Ich muss gut, richtig und perfekt sein, darf keine Fehler machen… ist Kompensation fehlender Selbstliebe!

    …auf den „inneren Kritiker“ zu hören und mich mit seinem unrealistischen Perfektionsanspruch oder überhöhtem Ideal unter Druck zu setzten und zu kritisieren → Der unzufriedene, nörgelnde „innere Kritiker“ ist ein Überbleibsel aus der Kindheit, z.B. unbewusst übernommene negative geistige Haltungen und Glaubenssätze der kritisierenden, abwertenden und meist selbst innerlich verletzten Bezugspersonen, um deren Anerkennung, Wertschätzung, Wohlwollen und Liebe zu erhalten!

Mangel an Selbstliebe – Mögliche Ursachen

Die Fähigkeit, mitfühlend mit mir zu sein, gut für mich zu sorgen, mich selbst zu lieben und anzunehmen, wie ich bin wird geschwächt oder blockiert durch das Zusammenspiel einiger grundlegender Faktoren:

  • Der Verlust des sinn- und haltgebenden, religiösen bzw. spirituellen Glaubens oder (für Atheisten / Materialisten) der Verlust des Urvertrauens an das Gute, Positive, Ganze und Heile in mir. Dies erzeugt in der Folge oft tief verborgene Schuldgefühle und Lebensängste, die kompensiert, rationalisiert, verdrängt und unterdrückt werden. Die Kompensation durch übermäßigen materiellen Konsum und Statussymbole ist aus meiner Sicht eine der gängigsten Ablenkungen von diesem tiefsitzenden Schmerz. Schmerzmittel, Psychopharmaka und diverse Süchte tun das ihrige dazu.
  • (Nicht verheilte) emotionale Wunden: Seelische Verletzungen / Traumata, tiefgehende Kränkungen, Abwertungen und Frustrationen, Gewalt- und Missbrauchserfahrungen usw., welche das Urvertrauen massiv erschüttern können, auf dem Selbstliebe und Selbstwert aufbaut. Verdrängung der Wunde, aufkommende Schuldgefühle, Selbstverurteilung und emotionaler Rückzug – „Mauer ums verletzte Herz“ – verstärken den unförderlichen Prozess.
  • Wichtige seelische Grundbedürfnisse blieben – vor allem in der frühen Kindheit – mehr oder weniger unerfüllt: Beispielsweise Erfahrungen von Urvertrauen und einem Gefühl von natürlichem Existenzrecht, Sicherheit / Schutz der eigenen Person, Integrität und Menschenwürde, Achtung / Respekt, Stabilität / Verlässlichkeit, Geborgenheit, Zugehörigkeit, Verständnis, Mitgefühl, Angenommen sein, Zuneigung, genug Freiraum zur persönlichen Entfaltung und Selbstverwirklichung usw.
  • Unförderlicher Umgang mit meinen eigenen negativen Gedanken, Gefühlen und Empfindungen. Nicht denken und fühlen wollen: Leugnung, Verdrängung, Unterdrückung negativer, schmerzhafter Gedanken und Gefühle. Was verdrängt oder unterdrückt wird, ist aber nicht einfach weg, sondern „gärt“ unbewusst im Untergrund weiter vor sich hin! Hier wird es sehr wichtig den eigenen „Geist in die Hand zu nehmen“ und langfristig auf einen förderlichen Weg der freundlichen Selbsterkenntnis zu führen!
    Vorsicht vor reinen Mentaltechniken wie Positivem Denken bzw. Positive Affirmationen wie z.B. „Ich liebe mich!“ oder „Ich bin ein liebenswürdiger Mensch und verdiene nur Gutes“. Wenn Sie innerlich nicht wirklich daran glauben, werden Sie sich danach eher schlechter als besser fühlen, eben weil es nicht Ihrem in vielen Jahren gewachsenen (negativem) Selbstbild entspricht! Der „innere Kritiker“ wird Ihren Versuch sabotieren und ins Gegenteil drehen!
  • „Negativer Autopilot“ – sich ständig wiederholende, unbewusste, auf Reize anspringende negative Gedanken- und Handlungsmuster. Im Erinnerungsspeicher unseres wertenden Geistes werden alle gemachten Erfahrungen als positiv oder negativ gefärbte „Empfindungs-, Gefühls- und Gedankendateien“ abgelegt und durch bestimmte Erlebnisse im Alltag reaktiviert. Die negativen Dateien könnte man auch autonome Schadprogramme, negative Glaubenssätze, Heilungswiderstände oder Autoaggressions- / Selbstsabotageprogramme nennen. Unser „innerer Kritiker & Zensor“ benutzt diese gegen uns! Und die Krux ist: Sie verfestigen sich immer weiter, je mehr wir willentlich gegen sie ankämpfen und sie eliminieren wollen. Und je mehr wir kämpfen und umso aussichtsloser wir diesen Kampf erleben, umso mehr untergraben und deprimieren wir die mehr oder weniger vorhandene Selbstliebe. Im Extremfall bis zur Selbstaufgabe.

Wenn die Störung der Selbstliebe bis in den Körper reicht

Mangelnde Selbstakzeptanz, Selbstabwertung oder gar Selbstablehnung kann über die enge Verknüpfung von Denken / Werten / Interpretieren, Fühlen und sensorischem Empfinden nicht selten auch körperlich-funktionelle oder psychosomatische Störungen auslösen. Diese Beschwerden werden vor allem über Fehlregulierungen des vegetativen Nervensystems, des Hormonsystems sowie des Abwehrsystems vermittelt. Diese drei großen, den gesamten Körper durchziehenden Regulationssysteme sind in bestimmten Großhirnzentren miteinander verschaltet und stehen in enger Verbindung mit denkend-wertender Wahrnehmung, den Gefühlen als Färbung dieser Wahrnehmung sowie unserem Erinnerungsspeicher. Jeder positiven wie negativen Wahrnehmung folgt eine Anpassung bzw. Veränderung in der körpereigenen Regulation der Organfunktionen und des Stoffwechsels.

Um ein noch besseres Verständnis dafür zu bekommen, was „mich selbst lieben und annehmen wie ich bin“ ausmacht und was nicht, möchte ich im folgenden Artikel einige grundlegende Aspekte davon näher beleuchten.

Selbstliebe lernen – Mir ein guter Freund sein Fortsetzung im Artikel Teil 2

©2013, aktualisiert 25.06.20 Heilpraktiker Dieter Wolf, München – Ganzheitliche Gesundheitsinformation zu Themen wie Medizin, Psychologie, Psychosomatik (Mind-Body-Medizin), Komplementär-/Alternativmedizin (z.B. Klassische Homöopathie), Achtsamkeit, Meditation, Philosophie, Spiritualität, Ökologie, Soziologie, Gesellschaftskritisches und mehr…

Kommentare (5)

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  1. 15. September 2016
    Sehr gut und verständlich erklärt. Wirkte auf mich gleich sehr beruhigend.
    • 15. September 2016
      Hallo Daniela! Freut mich, dass ich Sie berühren konnte. LG
  2. 12. Dezember 2015
    Hallo Herr Wolf, ein herzliches Dankeschön für ihre Homepage. Ich habe endlich die Ursachen meiner fehlenden Selbstliebe gefunden. Jetzt kann ich gezielter damit umgehen und meinen Kinder hoffentlich den richtigen Weg zeigen. Viele Grüße
  3. 19. Mai 2014
    "Ein Mann (oder auch eine Frau) von liebender Güte handelt mit seiner Seele auf eine sich lohnende Weise. Aber der Grausame bringt seinen eigenen Organismus in Verruf." (Das findet sich im Kapitel 11 im Vers 17, Bibelbuch der Sprüche)
    • 26. Mai 2014
      Danke für Ihr Zitat, Frau Sowe. Es bringt wunderbar zum Ausdruck, dass eine selbstliebende = mit sich selbst wohlwollende Lebensweise im Sinne eines seelischen und körperlichen Wesens ist.