Übungen zur besseren Selbstannahme: Was tun?

Spiegelübungen können helfen
Du möchtest dich dir selbst freundlicher zuwenden, dabei ein wenig mehr Akzeptanz, vielleicht sogar Selbstliebe und Mitgefühl lernen. Du suchst ein paar einfache Übungen zum Experimentieren und Erfahrungen sammeln? Weiter unten findest du zwei sogenannte „Spiegelübungen“ als Einstieg.
Kurz und bündig: Was ist Selbstliebe eigentlich?
Selbstliebe ist meine Fähigkeit, mich mitfühlend und vorbehaltlos anzunehmen, zu achten, zu akzeptieren mit allen Ecken und Kanten, mit allen Stärken und Handicaps!
Selbstliebe meint nicht, die erkannten ungeliebten Aspekte schön zureden oder auszublenden, sondern sie als momentanen Teil meines Mensch seins in Würde akzeptieren zu lernen, zu integrieren in mein Selbstbild: „Ja, auch das gehört zu mir!“
Wenn du ausführlich über Selbstliebe / Selbstmitgefühl mehr erfahren möchten, lese hier:
Was ist, ist – Unabhängig von Mögen oder Nichtmögen!
Es gibt viele (Übungs- und Therapie-)Wege zur schrittweisen Schulung dieser inneren, geistigen Qualität des Selbstmitgefühls. Jeder dieser Weg sollte aus meiner Sicht dabei über das bewusste Erkennen und Nehmen dessen führen, was ich hier und jetzt an mir oder in mir wahrnehme. Das Erkennen ist oftmals leichter als das vorbehaltlose Annehmen, v.a. wenn mein „innerer Kritiker und Richter“ etwas bemängelt, was ich an mir oder in mir nicht mag. Und doch: Für den Moment liegen die Dinge nun mal so und nicht anders, unabhängig von Wertung, Urteil bzw. Mögen-Nichtmögen!
Abneigung und Widerstand
Widerstand gegen das was ist, erzeugt Leid! Wenn ich Leid erzeugen will, entscheide ich mich also für Nichtmögen, Abneigung, Abwerten und Widerstand gegen einen Teil von mir selbst. Und schon bin ich im Konflikt, im Krieg mit mir. Doch selbst das durch meine eigene überkritische, abwertende Wahrnehmung hervorgerufene Leid kann ich wiederum erkennen und annehmen lernen.
Erkennen… und Nehmen… und Erforschen!
Für diejenigen jedoch, die bereits über ein gewisses Maß an Bewusstsein über sich selbst, an Impulskontrolle und eine wenigstens grundlegend intakte Fähigkeit zur Selbstannahme verfügen, können die vorgestellten Übungen eine sinnvolle und förderliche Unterstützung sein.
Um die Übungen herum können Sie über folgende Fragen offen und neugierig meditieren:
- Was macht mich als Mensch eigentlich aus? Was sind meine Stärken und Schwächen?
- In welchen Rollen und öffentlichen Masken bin ich unterwegs?
- Was sind meine grundlegenden Bedürfnisse und Werte, nach denen ich mein (Über-)Leben, meinen Alltag organisiere?
- Kenne ich meine Ängste, emotionalen Verletzungen, meine seelische Wunde?
- Auf welche emotionalen Auslöser reagiere ich und wie reagiere ich? Was für gewohnheitsmäßige Abwehrmaßnahmen, Widerstände bzw. Flucht-/Angriffsstrategien wende ich an, wenn ich etwas wahrnehme, was mich ängstigt, mir Schmerz bereitet oder mich ärgert?
- Und ganz wichtig: Gebe ich automatisch den anderen die Schuld für meinen Schmerz oder erkenne ich meinen eigenen Beitrag zum Geschehen? Erkenne ich, dass meine negativen Gefühle in meinem Geist entstehen auf der Grundlage einer (scheinbaren) Verletzung oder mache ich andere für die Entstehung meiner negativen Gefühle und Gedanken verantwortlich?
Spiegelübung 1 & 2
Nun zu den zwei Übungen zur Schulung der Fähigkeit der Selbstliebe (= Selbstannahme / Selbstachtung / Selbstakzeptanz), die Sie eigenverantwortlich zuhause ausprobieren können.
Der Zeitbedarf liegt pro Übungseinheit bei etwa 10-15 Minuten.
Selbstliebe-Spiegelübung 1: Gesichtsspiegel für „Anfänger“
Ich sage mehrfach hintereinander: „Möge ich mich annehmen, so wie ich bin!“ Kann ich dies ohne Widerstand ausdrücken? Was geschieht jetzt in mir? Schulen Sie ihren „neutralen inneren Beobachter“ in einer wachen, neugierigen, freundlichen und wertungsfreien Haltung.
- Selbstgespräch 2-3x wiederholen (1-2 Minuten): „Egal, welche Unzulänglichkeiten oder Fehler ich auch immer an mir wahrnehme, möge ich mich damit vorbehaltlos akzeptieren!“ Wahrnehmen: Was passiert in mir? → Bewusstsein bilden: Akzeptieren meint nicht unbedingt mögen oder dass ich mir keine Veränderungen oder Verbesserungen wünschen würde! Akzeptieren heißt, der momentanen Realität ins Auge blicken und sie nehmen, wie sie ist!
- Selbstgespräch 2-3x wiederholen (1-2 Minuten): „Alle Teile & Aspekte von mir, auch die ungeliebten, gehören zu mir!“ → Wahrnehmen: Was bemerke ich innerlich nach einer Weile, wenn ich den ungeliebten Aspekten meiner selbst standhalte, nicht flüchte / aus der Wahrnehmung verdränge? Wie ist meine Körperspannung, meine Atmung? Ist sie angespannt oder gehalten: Ich atme mehrmals tief durch. Oder spüre ich mich etwas entspannter und fühle mich wohler? Spüre ich mich realer, greifbarer mit der Zeit?
- Selbstgespräch 2-3x wiederholen (1-2 Minuten): „Ja, das bin ich! Diese Tatsache möge ich freundlich anerkennen! Möge ich meine Wirklichkeit respektieren! Ich darf so sein, wie ich im Moment nun mal bin!“
- Frage dich jedes Mal gleich nach der Übung und meditiere darüber:
Äußere Form spielt in Wahrheit keine Rolle. Selbstliebe hat gut lachen! - Sehe ich einen Zusammenhang zwischen der Annahme meiner selbst und der Bewertung meiner selbst?
- Wächst meine Selbstachtung durch mitfühlende Akzeptanz dessen, was ich nicht liebe an mir oder schrumpft sie eher?
- Habe ich einen Grund, etwas in meinem Leben zu verändern, wenn ich dessen reale Existenz leugne, es schönrede und ins Unbewusste verdränge?
- Hilft mir der achtsame und freundliche Umgang über etwas bisher abgelehntes, es wenigstens zu akzeptieren?
- Bin ich motivierter zu Veränderungen im Rahmen meiner realistischen Möglichkeiten, wenn ich die Tatsachen meiner ganzen Person so annehme, wie sie gerade nun mal sind?
- ♥ Wenn du die letzten beiden Fragen ehrlich mit Ja beantworten konntest, dann bist du echter Selbstliebe schon einen kleinen Schritt näher gekommen!
- Mache dir Notizen! Schreibe – wenigstens stichpunktartig – auf, was du für Gedanken, Gefühle und körperliche Empfindungen hattest, was du an oder in dir magst und was nicht, was du nach einer Weile schon besser akzeptieren kannst und was nicht. Arbeite erstmal mit dem, was du nicht magst. Sage laut zu dir: „Ja, dies und das habe ich negativ bewertet, doch ist es ein Teil von mir und daher wäre es ziemlich unfreundlich, es weiterhin abzuspalten. Möge ich es also annehmen, da ich ja jetzt weiß, dass Annehmen zunächst mal nichts mit Mögen zu tun hat!“ Hebe zwischendurch jedoch immer wieder auch die Anteile von dir hervor, die du problemlos akzeptieren kannst, weil du sie magst, sprich positiv bewertet hast!
Selbstliebe-Spiegelübung 2: Ganzkörperspiegel für „Fortgeschrittene“ oder „Mutigere“

nicht um perfekt zu sein!
Zwei Wochen lang, zwei Mal täglich morgens und abends, je 1-2 Minuten! → Selbstbetrachtung der gesamten Person und aller ihrer Teile, am besten nackt, ungeschminkt, ohne Schmuck. Was passiert in mir, welche Gedanken, Gefühle und Körperempfindungen (z.B. Mimik, Gestik, Körperhaltung, Muskeltonus, Atmung, Herzschlag etc.) nehme ich wahr. Was mag ich an mir, was nicht? Tauchen Fluchtimpulse auf wie Wegschauen, Übung blöd finden, sich von anderem ablenken lassen… = Verdrängung / Unterdrückung = Gang ins Unbewusste?
Ich schau mir tief in meine Augen und sage mehrfach hintereinander: „Möge ich mich annehmen, so wie ich bin!“ Fällt es mir leicht oder eher schwer, dies laut auszusprechen? Was nehme ich innerlich wahr? Schule deinen „neutralen inneren Beobachter“ in einer wachen, neugierigen, freundlichen und wertungsfreien Haltung.
- Führe die Übung so aus, wie oben unter 1. bis 5. beschrieben…
- Hinweis: Die Ganzkörperspiegel-Übung ist für viele Männer wahrscheinlich leichter als für Frauen. Frauen unterliegen mehr dem von der Gesellschaft (und den Männern) aufgebauten Druck, schön und makellos sein zu müssen und haben so mehr Probleme, vor allem ihre körperlichen „Schwachstellen“ anzunehmen. Wenn dir diese Übung schwer fällt, experimentiere! Vielleicht decke zunächst mal die ungeliebteste Stelle ab oder bedecke einen Teil des Spiegels oder zieh was über usw. Übe in deinem Tempo: Achtsamkeit mit sich selbst und Selbstannahme sollten keinem Leistungsdruck unterliegen! Manche Menschen sind langsamer, manche schneller, so what! Höre vor allem auf, dich mit anderen zu vergleichen und zu bewerten. Dies sind Garanten für Unzufriedenheit, Unglück und Leid!
Mögen alle Wesen glücklich und zufrieden sein!
Der Text ist wirklich super geschrieben. Ab heute beginne ich die Übung vor dem Spiegel! Ich hoffe sehr, dass es hilft, weil ich wirklich darunter leide, mich nicht selbst zu lieben. Ich habe sogar ständige Angst, dass mein Freund mich verlässt und mich irgendwann nicht mehr liebt 🙁
Alles wunderbar geschrieben, vielen Dank! Bei mir liegt es an meiner Ernährung. Ich möchte mich gesund ernähren und schaffe es nicht wirklich. Bin weder bulimisch noch magersüchtig, aber die Ernährung ist mein grösstes Problem. Leider fand ich in keinem Beitrag über Selbstliebe und Selbstachtung Hinweise zu liebevoller Ernährung. Vielleicht können Sie mir einen Tipp geben. Vielen Dank im voraus.
Hallo Frau Geiger! Eine liebevolle Ernährung wäre für mich, mit vollem Bewusstsein das zu essen (und zu trinken), was mir seelisch und körperlich gut tut, mich nährt und stärkt und gleichzeitig zu meinem Welt- und Glaubensbild (Wertesystem) passt. Auch das Genießen sollte dabei nicht zu kurz kommen. „Try and error“ wäre ein möglicher Weg, ein anderer könnte über die ayurvedische Ernährungsschiene oder über die 5-Elemente-Lehre des TCM laufen. LG